Mit Technologie den Geheimnissen der Bienen auf der Spur
Natur und Technik werden meist als etwas Gegensätzliches wahrgenommen. Viele meinen ja, durch Technik entferne sich der Mensch von der Natur. Der Grazer Zoologe Thomas Schmickl sieht dies vielseitiger, für ihn ist der Mensch ein Teil der Natur und seine kreativen Werke sind genauso natürlich wie das Netz der Spinne, wie der Kokon der Schmetterlingsraupe oder wie die Waben der Honigbienen.
Er sucht mit seinem Team nützliche und naturfreundliche Einsatzmöglichkeiten für Technologie, ein Ansatz, der oft „Technology for good“ genannt wird. In seinem Labor reicht das Forschungsspektrum vom Umweltmonitoring von Seen mit kompostierbaren Robotern bis hin zu digitaler Technologie in Bienenstöcken.
Unsere Umwelt wird heute von vielen Stressoren gleichzeitig belastet, sodass eine Beobachtung und Unterstützung der Natur ein wichtiges Aufgabengebiet für Technologie sein kann, man muss diese allerdings zielgerichtet gestalten und sinnvoll einsetzen. Umweltzerstörung und -belastung trifft viele Spezies, aber besonders massiv sind alle Bestäubertierarten betroffen. Ihre große Anzahl und ihr im Bienenstock zentralisiertes gemeinsames Leben macht Honigbienen zu den idealen ersten Kandidaten, um zu erforschen, wie Technik die Tiere selbst, aber vor allem auch das Ökosystem, in dem sie leben, sinnvoll unterstützen kann.
Dabei folgt der Zoologe keinesfalls den Gedankengängen dystopischer Science Fiction Serien, wie z.B. Black Mirror, denn es geht nicht darum, die Honigbienen durch Roboter zu ersetzen, sondern ganz im Gegenteil: natürliche, gesunde Bienen sollen unterstützt werden, sodass sie ihre Bestäubungsleistung weiter gut entfalten können. Die Technologie wird im Bienenstock eingebettet, sie beobachtet die Bienen kontinuierlich und liefert, bei Bedarf, zusätzliche Informationen oder Energie an die Bienen.
Dazu haben sich europaweit die hellsten Köpfe in den relevanten Forschungsbereichen zu einem kooperierenden Expertenteam zusammengeführt, das derzeit in zwei internationalen EU Projekten, HIVEOPOLIS und ROBOROYALE, drei Hauptziele ihrer Forschung gemeinsam verfolgt:
- Neuartige Forschungsmethoden: Es werden modernste mechatronische (robotische) Werkzeuge entwickelt, die der Bienenforschung völlig neue Möglichkeiten bieten, z.B. eine Rund-um-die-Uhr Beobachtung der Bienenkönigin mit all ihren Sozialkontakten in bisher nicht dagewesener Auflösung und Genauigkeit. Nur wenn wir weiter am Phänomen „Honigbiene“ forschen, werden wir sie auch langfristig schützen können. Keine andere bestäubende Tierart ist so komplex organisiert wie die Honigbiene, was Hightech zu einem mächtigen Werkzeug macht, um die Mechanismen der komplexen Selbstorganisation der Bienen zu entschlüsseln.
- Ökologische Erziehung: Mit Technologie kann das beeindruckende Innenleben des Bienenstocks zugänglich gemacht werden, ohne die Bienen zu stören, bei jedem Wetter, zu jeder Uhrzeit und über große Entfernungen. Auf diese Weise können Menschen, die sonst kaum Kontakt zu Bienen hätten, neue Einblicke bekommen und so einen Bezug zu den Tieren herstellen. Dabei können sie viel über die Natur und Ökologie lernen und vielleicht sogar selbst als „Citizen Scientist“ forschend tätig werden. Die Bienen, und damit die Ökologie, kann auf diese Weise mit geringem Aufwand und kostenfrei in alle Klassenzimmer kommen und einen wertvollen Mehrwert und neue pädagogische Ansätze in vielen Fächern (Biologie, Physik, Informatik, Mathematik, …) erlauben. So kann diese Technologie ein Zugang zu echtem transdisziplinärem Lernen über Natur und Umwelt werden.
- Faire Gesellschaft: Die Basis jedes Ökosystems sind Pflanzen, und viele davon sind auf Bestäubung durch Tiere angewiesen, die Bestäubung dieser Pflanzen durch die Honigbiene ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährungssicherheit. Gerade gesundes Essen, Obst und Gemüse kann durch Bestäubermangel schnell teurer werden. Eine gesunde, grüne Ernährung sollte in einer gerechten Gesellschaft nicht zur Mangelware oder gar zum Luxusgut werden. Hier kann also sinnvoll eingesetzte Technologie nicht nur ganze Ökosysteme unterstützen und stabilisieren, sondern direkt einer fairen und nachhaltigen Gesellschaft zugutekommen. Bienen leisten dies für uns.
Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die derzeitige Abwärtsspirale in der Natur unterbrechen und die Dynamik in eine bessere Richtung lenken. Bestäuberschutz ist mehrheitlich Bienenschutz, und letztendlich nichts anderes als klassischer Naturschutz. Denn, geht es der Natur gut, geht es allen Lebewesen gut. Verzichten wir also auf schädliche Technik, wie z.B. autonome Rasenroboter, pflanzen wir Wiesen statt Golfplatzrasen, kaufen wir unsere Lebensmittel bewusst ein, und denken wir darüber nach, wie wir moderne Technik sinnvoll einsetzen können, damit wir uns diese rettenden Maßnahmen auch leisten können und genug für alle da ist. Wir werden sie benötigen, um das Ruder herumzureißen und die Natur wieder aufatmen lassen zu können.
Mehr zu den Projekten HIVEOPOLIS und ROBOROYALE
Mehr zur Bienenforschung an der Uni Graz
Thomas Schmickl, Universität Graz
Mag. Rosa Riegler
Geidorfgürtel 21/I, 8010 Graz